ENERGIE UND MATERIE


Bereits zur Zeit der „Cosmic Messengers“ war das Universum für Helmut MANDO all gegenwärtig.

 

Die Presse schrieb „Künstler empfangen das Neueste aus dem Kosmos“, „Kosmische Boten“ - „Künstlerische Grüße aus dem All“. Es entstanden in dieser Zeit große Bilder 123 x 123 cm.

 

Eines davon mit Außerirdischen - wie sie gerade auf die Erde herab blicken. 

 

 

Dass dies für meinen Vater nicht nur Slogans waren, sollte ich erst viele Jahre später erfahren. 

 

Ein kleiner Gedankensprung:

 

Das Thema Krankheit war bei ihm wie unter einem großen „Mantel gedeckt“ - er war gefühlt nie krank und fand es äußerst belastend, wenn Besucher zu ihm in den Antik-Laden kamen und ihren Ballast von Alltagskrankheiten ablegten.

 

Er war immer gerne zu Gesprächen bereit - aber sie sollten positiv sein  - über Kunst, Geschichte, Literatur ggf. auch Politik - wenn die Medien noch was Gutes zu berichten hatten. Das Thema Krankheiten war auch zu Hause ein tabu Thema. Es machte ihn wütend, wenn die Leute nur zum Ballast abwerfen zu ihm kamen, damit seine Energie raubten und er abends nach Geschäftsschluss keine Muse mehr zum Malen hatte.

 

Mit sich selbst betrieb er „Selbstheilung“ und sprach nicht über körperliche Belange.

„Ich bete jeden Abend, ich habe aber keinen bestimmten Gott -  ich bete ins Universum“.

 

Seine tägliche Energie zog er zunehmend mit ausschlafen - er war ja ein "Nachtmensch". 

Einem reichhaltigen Frühstücksritual und einer Stunde Training für Geist und Körper.

Verpasste er mal ein Training, dann verpflichtete er sich, am nächsten Tag, zwei Stunden zu absolvieren.

 

Er war körperlich und geistig fit - wirkte so viel jünger.

Seine Hanteln waren groß und schwer, mit denen er bis kurz vor Einzug in die Klinik zu Hause im Wohnzimmer trainierte. Als wir sie später wegräumten, konnte ich sie kaum mit zwei Händen aufnehmen. Kein Wunder, dass er einen doppelten Leistenbruch mit sich führte. Aber auch dieser blieb bis zu seinem Tode unbehandelt. Er merkte ihn gar nicht. 

Hatte er Kopf- oder Zahnschmerzen, lenkte er die Schmerzen auf die Füße, um sie dort aus dem Körper auszuleiten. Selbst als er im Treppenhaus ausrutschte und sich mehrere Rippen dabei brach, saß er lächelnd im Bett seines Krankenzimmers und blies eifrig in das Lungenpfeifchen für Atemübungen. Kurze Zeit später bewegte er sich, als sei nie etwas gewesen.

Dass er im Umgang mit Schmerzen und auch von Energien irgendwie anders sein musste, stellten wir in der Folge fest. Aber dazu später.

Mando trug leidenschaftlich Jeanshemden, Jeanshosen und seine geliebte Jeansjacke. Was es für teures Geld in den Modeboutiquen zu kaufen gab, die „zerschlissenen Lochjeans“ - dies schaffte er für sich tatsächlich selbst. Meine Mutter war immer ganz verzweifelt, wenn er schon wieder sein altes Zeug an hatte. Wenn Sie heimlich die völlig zerrissene Jeans entsorgte, holte er diese aus dem Abfall wieder heraus. Man konnte sie ihm nicht von dem Leib reißen, Geschweige denn einfach entsorgen.

 

Es blieben eigentlich nur noch Fetzen, aber er fand es oldcool. Meiner Mutter war dies nur peinlich. 

Nein, seine geliebten Jeans waren ihm heilig. Er trug sie zu Hause auf, bis sie ihm wahrhaftig vom Leib fielen. 

 

Ich weis noch für meine erste Hochzeit, beschaffte sie ihm eine ordentliche Stoffhose und einen Seiden-Blouson. Ich sah ihn an - wirklich wohl und glücklich fühlte er sich darin nicht. 

 

Der Mensch, der es liebte auf AC/DC Konzerte zu gehen, eben lässig durchs Leben ging. Ich erinnere mich an Eines davon. Wir kauften uns zunächst zwei Flaschen Bier am Eingang (damals gab es noch Glasflaschen, woraus das Gebräu auch schmeckte:-)) und mischten uns unter das Volk. Setzen uns auf Absperrgitter und betrachteten die People. Später auf dem Rang ging es ab - es war seine Musik.

 

Er lebte Sie, wie auch seine Bilder. Nach jedem Besuch kauften wir Poster von freien Händlern, die nach Konzertende vor der Halle bereits auf die ausströmende Menschenmenge warteten.

 

Es waren immer schöne Momente mit ihm. Wir hatten nicht viel Lebenszeit miteinander.

Aber wenn wir sie uns nahmen, dann lebten wir sie. 

 

Nach meiner Scheidung heirate ich ein zweites Mal. Auch für diese Hochzeit im Jahr 2013 war meine Mutter bedacht, dass er bitte ordentlich erscheint. Schließlich sollte er mich meinem zukünftigen Mann übergeben. Doch diesmal lies er sich nicht in etwas stecken.

 

Er kam zur Hochzeit in dunkelblauer Jeans und seiner geliebten Jeansjacke. Das Foto auf der Seite „Vater und Ich“ ist auch an diesem Tag entstanden. Ich habe meinen Vater selten so strahlend gesehen. MANDO war glücklich. Er kam so einfach, wie er war.

Die Gäste schmunzelten und meine Mutter entschuldigte sich bei mir - aber es war ihm und auch mir ganz egal. 

 

 
Mando erregte mit seinem äußeren Auftreten wohl auch etwas Mitleid. Denn in den türkischen Läden von Wiesbaden, wo er gerne Abends vorbei schaute um ein Fladenbrot zu kaufen, packten sie ihm oft einige Teile mehr in die Tüte und baten ihn, es anzunehmen.


Er sei sich auch nicht zu schade,- wenn es denn mal sein müsste, unter der Brücke zu schlafen. Dass dies nicht der Fall sein würde, dafür sorgte schon meine Mutter. Sie hielt ihm immer den Rücken frei und unterstützte. Zumindest solange wie es ihr möglich war. 

 

Er war ein bescheidener Mensch; ihm der Konsum da draußen nicht wichtig. 

MANDO brauchte für sich nur Luft in seinen Lungen und Geld für Farben, Leinwände und Pinsel. 

Zum Leid meiner Mutter hatte er zunehmend eine große Sammelleidenschaft entwickelt. Er liebte es spät abends durch die Fußgängerzone von Wiesbaden zu gehen und zur „Entsorgung“ bereit gestellte Werbematerialien der Kaufhäuser mitzubringen. Von Pappaufstellern, über Schaufenster-Werbe-banner, bis hin zum Schrankregal. Alles was auf der Straße stand, schaute er sich an und wenn es ihm gefiel, dann brachte er es Heim. Viele Dinge verarbeitete er davon wieder zerkleinert in seinen Bildern. Manches wollte er auch einfach nur bei sich haben und dekorierte es.

 

Wie früher eben, noch zu Zeiten als Schaufenstergestalter.

Durch seinen Antikladen geleitet, war er oft auf Flohmärkten unterwegs. So manches tolle Teil hat er dort erstanden für den Weiterverkauf oder Tausch - über alte Jugendstil Gläser, Bücher, Porzellanfiguren und Vasen. In den 90iger Jahren waren die Flohmärkte noch richtig gut - auch in Metz auf dem Flohmarkt ganz früh morgens mit Taschenlampe habe ich ihn so manches Mal begleiten dürfen. Es gab immer wieder interessante Dinge zu entdecken.

 

Es steckte in ihm auch das Kind, dass natürlich für sich schaute. Er war im Herzen jung geblieben und freute sich über Mickey Mouse oder Donald Duck Figuren. Alles Lustige durfte es sein, die Welt sei traurig genug.

 

Zum Handel sagte er, dass dieser nachdem im Jahr 1989 die Mauer gefallen war, sich spürbar verlagerte. In den neuen Bundesländern gab es wohl genügend antike Stücke. Zunehmend schwand die Kaufkraft in Wiesbaden, nach und nach schlossen die Antikläden der Stadt. 


Auch MANDO hätte nach dreißig Jahren seinen Laden schließen müssen, er produzierte mehr Kosten als Gewinn.

 

Aber er lies es nicht zu  - denn unter seinem Geschäft war der Gewölbekeller  - sein Lebenselixier. 

 



Seite hinzugefügt im Februar 2023