ENERGIE DIESES MENSCHEN


Auf seinem ganz eigenem Jeanscult, folgte die Erzählung meiner Mutter. Sie berichtete, dass sie häufig neue Hemden kaufte, da diese im Rücken alle ausblichen. Sie sagte von den Schulterblättern hinab wurde die blaue Jeansfarbe immer weiß - was Sie natürlich als unschön empfand und entsorgte. In späteren Gesprächen mit ihr fragte ich sie nach den Hemden und gerne auch zu seinen abgeliebten Jeans, die ich an ihm ja noch zu genüge von zu Hause kannte. Leider hatte Sie nur noch "schöne Modelle" als Andenken aufbewahrt und nicht die „besonderen“ Stücke. Ich hätte sie hier gerne gezeigt. 

 

Ja, es sei ihr schon seltsam gewesen, denn es wären bei allen Jeanshemden immer die gleichen Flecken entstanden - wie kleine Flügel. 


Ich schmunzelte nur und sagte: „Vielleicht waren es einfach nur energetische Hitzefelder des Körpers.“  

Als MANDO bereits seinen Antikladen geschlossen hatte - wir mehr Zeit zusammen verbringen konnten, erzählte er mir erstmals von seinem Stern. Der Wega. So selbstverständlich wie nichts. 


Ich wusste er war zwar inzwischen 79 Jahre  alt - aber er war doch völligst klar und bei all seinen Sinnen und Verstand. 


Warum sollte er dies erfinden? 

Ein weiteres Ereignis noch während seiner aktiven Geschäftszeit, war ein Problem, was viele Männer seines Alters trifft, jedoch der operierende Chefarzt - der ihm an diesem Tag das Leben rettete, sprach von einem noch nie dagewesenen Vorfall.

 

Mein Vater hatte „zunehmend starke Probleme mit dem Wasserlassen“ - redete natürlich mit uns nicht darüber und es kam dazu, dass nichts mehr half, außer einen Notarzt zu rufen, der sofort einen  Katheder setze um ihm Erleichterung zu verschaffen. Bis dahin auch nichts ungewöhnliches. 


Er ging noch Anfangs zum Hausarzt, nahm auch wohl zunächst die verschriebene Medizin zum

Abschwellen - bis ein weiterer Einsatz des Notarztes erforderlich wurde. Ihm das Wasser erneut bildlich bis zum Hals stand.

 

Das legen des zweiten Katheders gab ihm wohl den Rest und er beschloss ab sofort nicht weiter zu therapieren. Arztbesuche waren ihm sowieso mehr als lästig und man würde kränker hervorgehen, als zuvor. Dies war seine Ansicht. 


Schmerzen empfand er wohl keine und an das Beutelchen, was er sich lässig an seine Jeans band, habe er sich bereits gewöhnt.

 

Er behielt ab dieser Entscheidung den vom Notarzt gelegten Einfachkatheder, den er spätestens nach einer Woche vom Arzt ziehen lassen sollte, einfach drinnen.

Dieses „Beutelchen“ trug er fast ein Jahr. 


Bis zu dem Tag, wo sich der Schlauch begann aufzulösen. Der Arzt in der Klinik war fassungslos. Eingewachsen, am Auflösen, die Gefahr von Infektion und eigentlich auch Schmerz. Er schüttelte nur mit dem Kopf und sagte meiner Mutter, dies habe er noch nie gesehen. Welch ein Leichtsinn, er habe ihm regelrecht von der „Schippe“ geholt. 

Als wir MANDO aus der Klinik abholten, lachte er. Da hätte er wohl einen „Conont“ gemacht - dies war eines seiner eigens erfundenen Wörter.


Ich antwortete - „Ja, das war ein echter Conont!“


Die kleine Figur mit gerade mal 41 x 12 cm mit dem Namen „CONONT“. Entstanden im Jahr 1998 aus Treibholz, angemalt mit etwas Farbe und dem angeschraubten Puppenärmchen. Sein CONONT. 


Dazu fällt mir ein: Es war lustig zu sehen, während meiner Ausstellung bei Waas - hatte ich auch Holzfiguren dabei - unter anderem auch den CONONT und sie zusammen an einem Fenster im Treppenhaus der Ausstellung platziert.


Während der sechswöchigen Ausstellung waren auch viele junge Menschen in der Lokation zu live Musik. Es war sehr heiss an dem Abend in den Räumen - die WAAS war gut gefüllt. 


Ich war auch dort und musste schmunzeln… jemand hatte eines dieser Fenster geöffnet und den CONONT einfach als Fensterstopper verwendet. Ich dachte erst - wie abwertend… schließlich war ja ein Preisschild dran. 


Aber dann lachte ich - dies hätte auch MANDO gefallen. 


     

Zurück zu seinem körperlichen CONONT. Schmerzen habe er auch hier nicht gehabt. Für den Arzt nicht vorstellbar.

 

Dieser Leichtsinn beeinflusste vielleicht auch sein späteres Krebsleiden; Blasen- und Nierenkrebs im Endstadium, so die Diagnose Ende September 2016. Wir hatten gerade noch seinen  80 igsten Geburtstag gefeiert. Es kam für ihn nicht in Frage sich operieren zu lassen, er wollte keine künstlichen Ersatzteile in sich. Es stand keine Operation zur Diskussion.

 

Von der Klinik, die mit dieser Entscheidung nichts mehr für ihn tun konnte, ging es nach ein paar Tagen der Palliativstation direkt ins Hospitz. Dort blühte er nochmal auf. Drei besondere Wochen in seinem - und auch in meinem Leben mit MANDO. 

 

Es überraschte mich, dass er auch hier kein Schmerzmittel nahm - obwohl sein Körper ihn bereits drei Tage vor seinem Ableben verlies. Der Tod war bereits spürbar in sein Zimmer eingetreten - dieser Geruch.

 

Er lächelte mich mit seinem ganz schmal gewordenen, aber dennoch für mich so schönen Gesicht an. Wir redeten in den letzten Stunden intensiv wie nie zuvor, - als müssten wir dies noch erledigen. 

 

Erst ganz zum Ende hin bekam er Morphium und Schlafmittel auf seinen Wunsch hin:

 

"Bitte, ich möchte nun gehen" - er winkte freudig -"im Sternenstaub sehen wir uns wieder."




Seite hinzugefügt im Februar 2023