Nach seiner Geschäftsaufgabe im Jahr 2014 sah ich erstmals die Vielzahl seiner Bilder, die natürlich umgelagert werden mussten. Es war für mich wie eine Auferstehung eines Künstlers und
gleichzeitig eine große Traurigkeit, als ich sehen musste, dass mit der Ladenschliessung auch ein Teil von diesem Menschen zerbrach. Seinen geliebten Gewölbekeller in dem er über Jahrzehnte
gemalt hatte, gab es nicht mehr.
Er war zwar froh den Kostendruck seiner beiden Geschäfte und die Gedanken an sie los zu sein, aber es zerbrach ihm auch sein Herz und auch am Ende den Lebenswillen.
Als Kind verbrachten wir die Wochenenden oft beim Angeln.
Ich liebte es, als er noch Pfeife rauchte. Es lag immer ein Duft von Vanilletabak in der Luft und er war währenddessen so entspannt.
Mein Vater war als Dekorateur sehr beschäftigt. Er liebte es erst abends nach Ladenschluss der Firmen zu dekorieren, bis weit in die Nacht. Er erzählte mir oft von seinen außergewöhnlichen
Dekorationen schon während seiner Lehrzeit. Er kam mit Zement und Spachtelmasse in die Fenster bei seiner Abschlussprüfung und sie dachten - was treibt Manfred da?
Er erschuf Fensterdekorationen, die zu dieser Zeit absolut fremd waren. Wo andere akkurat ihre Fensterpuppen anzogen und normale, halt in die Zeit passende Dekorationen erstellten, warf er
mit Zement und Materialien um sich und setzte Akzente in seinen Fenstern, die nicht gerade den gemachten Vorgaben der Prüfer entsprachen. Er war damals schon anders und fühlte sich nicht an
Normen gebunden. Als die anderen Dekorateure noch gestalteten und die Prüfer im Begriff waren, die Fenster in Kürze zu bewerten, verschwand er einfach und ging Kaffee trinken. Es war ihm
egal. Er wusste sein Fenster ist gut. Nein, er wusste, - es war das Beste.
Er war nie für das Irdische, auch in seiner Malerei erschuf er seine eigene Welt - mit eigenen Figuren, die ihn gerade im Aquarelli stets begleiteten.
In 2014 begann ich erstmals mit der Bestandsaufnahme seiner Bilder - mich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ich las soviel in ihnen und begann sie zu verstehen. Bis heute fallen mir Details
auf, die man nicht auf dem ersten Blick erkennt. Man versucht irgendwie immer die Bilder eines Malers zu lesen, - etwas zu erkennen, - wirklich verstehen wird man einen Künstler aber
womöglich nie.
Wir verbrachten nach meiner Kindheit nur wenig Zeit miteinander. Der Alltag überwiegt so oft und man nimmt sich nicht die Zeit. Oft sahen wir uns nur an Geburtstagen und Weihnachten. Es
gab dennoch eine ständige Verbindung zwischen uns und er sagte stets, „ist nicht schlimm - auch wenn wir uns nicht sehen, fühlen wir uns - wir sind doch verbunden.“
Ich war sehr geprägt durch meinen Vater, seine Meinung und sein Rat mir wichtig. Er war immer ehrlich zu mir und ich wusste, was er mir sagte, dass meinte er auch so.
Die innigste und intensivste Zeit muss ich sagen, hatten wir aber erst zusammen im Hospiz. So traurig es ist, gerade an einem solchen Ort zu reden, kann ich von diesen letzten drei Wochen
sagen - es war schön. Dieser Ort gab ihm die Ruhe über sich und sein Leben nachzudenken. Die erste Woche als er dort hinkam, entstand ein purer Lebenswille. Er forderte seine Bodenmatte zum
Training und begann wieder zu essen und sprudelte voller Ideen für weitere Bilder.
Erste Übungen seinen Körper wieder zu stärken, musste er jedoch hoffnungslos aufgeben, es fehlte die Kondition und die Kraft. Er war so dünn geworden, der Krebs nahm sich seinen Körper
unaufhaltsam.
Dies akzeptierte er schließlich - in der zweiten Woche wurde er stiller. Er schaute nur in seinen geliebten Baum vorm Fenster im Hospiz und lauschte dem Glockenspiel der Kirche. Er war nie
gläubig im Sinne der Kirche, aber er genoss den Ort wo er nun war und schloss Frieden mit sich und den Dingen, die ihm aus seinem Leben noch bewegten.
In der dritten Woche redete er viel. Ich hatte das Geschenk mich beurlauben zu lassen und konnte bei ihm sein. Er erzählte mir von seiner Mutter und der Zeit sich nicht von ihr geliebt
gefühlt zu haben. Als Kind im Krieg groß zu werden, war ohnehin kein Leichtes. Er litt sehr unter diesem fehlenden Gefühl in seinem Leben. Durch die Trennung der Eltern noch während des
Krieges, bestand zu seinem Vater nur wenig bis selten Kontakt. Aber wenn sein Vater ihn besuchen konnte, dann hatte dieser immer etwas Persönliches für ihn im Gepäck. Eine sehr liebevolle,
wenn auch zu kurze Bindung in seinem Leben. Der Vater verstarb früh, als Manfred etwa zwanzig Jahre alt war.
Er sprach auch von den Zigeunern die er traf, liebenswerte, tolle Menschen, die ihm Ansichten aufs Leben gegeben haben, Freiheit, die Natur zu spüren und zu achten.
Leider konnte mein Vater nur mit sich selbst und seiner Kunst leben und genießen, die Familie war meist außen vor. Gerade Mama hatte es nicht einfach mit ihm, er war narzistisch,
egoistisch veranlagt, kein einfaches miteinander. Aber sie hing auch an ihm, 50 Jahre prägen.
Es gab nie einen gemeinsamen Urlaub, - außer Frankreich, dorthin bin ich mit ihm als Kind ein paar Mal gefahren. Dann war es cool. Mit der Citroen Ente in Schunkelfahrt Nachts los und zum
Flohmarkt nach Metz. Anschließend Frühstück bei Croissant und Milchkaffee, ein bisschen Käse und Schokolade shoppen und wieder zurück.
Lange Urlaube, dafür war er nicht zu haben, spontan und kurz musste es sein. Bis nach Paris sind wir leider auch damals nicht vorgedrungen, er liebte diese Stadt und sagte immer, Wiesbaden
ist zu spießig. Wenn ich ausstelle, müssen meine Bilder nach Berlin oder Paris... - hier versteht man mich nicht. Arrogant, aber dies war seine Ansicht.
Jeder Maler träumt davon einmal an die Front zu kommen, dies war insgeheim bestimmt auch sein Wunsch - aber die Chancen die er zu Lebzeiten geboten bekam, nutze er nicht. Er gab am
Sterbebett erstmals zu, dies zu bereuen, - er war so sehr von der Wahrsagung der Zigeunerin geprägt und gestoppt. In seinen letzten Tagen merkte er, dass dies auch nicht der Wahrheit
entsprechen konnte, - er war kein bekannter Maler geworden und durfte dennoch nicht 94 Jahre werden. Aber nun war es zu spät, darüber nachzudenken.
Ich gab ihm das Versprechen auf seine Bilder aufzupassen und sie „ins Licht zu führen“. Ich setzte mich wieder an die Homepage und begann aufzuarbeiten, wo ich traurig und frustriert über
seine Absage in 2014, stecken geblieben war.
Sie wurde nochmals komplett umgestaltet und ging im Dezember 2017 online. Sie half mir dabei meinen Vater zu sehen, zu verstehen und seinen Tod zu verarbeiten. Nur seine Hülle war gegangen
und ich fühlte währenddessen ich schrieb und seine Bilder hinzufügte - er ist bei mir.
Er gibt mir die Kraft weiter zu machen und seine Bilder zu zeigen,- sie sind so außergewöhnlich und besonders.
Diese Homepage ist mit viel Schmerz, aber auch Glücksgefühlen,- einen solchen Menschen als Vater gehabt zu haben, entstanden.
Ich habe keine Ahnung was die Zukunft bringt und ob ihn jemand als Künstler „entdeckt“.
Es war mir einfach nur ein Bedürfnis diesen Platz hier für ihn zu erschaffen. MANDO weiterleben zu lassen,- weiterleben zu lassen in seinen Bildern, die nun Jeder der möchte, betrachten
kann. Sein Lebenswerk bekommt damit einen Sinn und ist im Netz für immer fest geschrieben.
„Mögen dir deine Bilder bis zu deinem Stern scheinen und für ewig leuchten!"